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Galerie im Weytterturm Straubing
Bild-Objekt-Einbringung

Wer den künstlerischen Arbeiten Alois Öllingers begegnet, dem fällt ihre Vielgestaltigkeit auf. Das Spektrum seiner Arbeiten erstreckt sich von der Zeichnung über großformatige Bilder bis zu den so genannten Bildobjekten und führt weiter zu konzeptionellen Ansätzen, wie fotografischen Dokumentationen und weiträumig geplanten Aktionen.

Das verbindende Band angesichts dieser Vielgestaltigkeit ist dabei die Zeichnung, und zwar ihr von alters her virulenter Aspekt, nämlich ihr Entwurfs- und Projektcharakter. In der Zeichnung erfahren Ideen, Entwürfe und Projekte ihren ersten Niederschlag. Sie vermittelt zwischen einem eher vergangenheitsbezogenen Kontext und dem Aufbrechen noch nie gesehener Welten und Räume. Zur Zeichnung gehört es, am Übergang vom Bekannten zum Unbekannten zu stehen.

Für Alois Öllinger bedeutet diese Vielfältigkeit der Zeichnung den Angelpunkt seiner Kunst. Dazu gehört sicher, dass er ein hervorragender Zeichner ist; sie weist aber über diese besondere Begabung hinaus, auf die Eigenart seiner Werke hin. Ihre Verfassung bestimmt sich aus einem speziellen Spannungsverhältnis von Konzeptionalität und Verweilen.

Wie das zu verstehen ist, erschließt sich aus der Funktion, welche die Zeichnung in Alois Öllingers Werk hat. Sie ist zuerst einmal Vorentwurf, Vergewisserung, auch Projekt, Vorhaben, steht aber dann schließlich eigenständig da und trägt den Verweis auf etwas anderes, außerhalb liegendes, nur noch virtuell in sich. Diese spezielle Modellhaftigkeit hat sich dabei auch auf diejenigen Arbeiten übertragen, welche nicht im engeren Sinn als Zeichnungen anzusehen sind. So stehen viele Gemälde in einem quasi projekthaften Zusammenhang zu anderen Arbeiten; so verweisen z.B. viele der Bogenformen auf eine groß angelegte Aktion mit den benachbarten Feuerwehren im Grenzgebiet des ehemaligen eisernen Vorhanges, in welcher diese Feuerwehren gemeinsam ihre Spritzen so ausrichten, dass deren Wasserstrahlen die Form einer Kuppel bilden. Sie zeichneten gewissermaßen mit ihrem Handwerkszeug diese Kuppeln in den realen Raum. In seinen Bildern wiederum zeichnet Alois Öllinger diese Kuppelform mit den Mitteln der Malerei. Beides, die Gemälde wie die Aktion, stehen in einem bestimmten Bezug zur Kuppel, die sich ihrerseits als eine zeichnerische Grundform erweist. Der ursprüngliche Außenbezug der Zeichnung als Zeichnung von etwas verwandelt sich zu einem gattungsübergreifenden Binnenbezug der Arbeiten untereinander.

Ein ähnlicher Aspekt erweist sich bei den so genannten Bildobjekten. Diese Bildobjekte sind in ihrer Grundstruktur wie Bildtafeln aufgebaut, nur mit dem Unterschied, dass sich in ihnen bestimmte Teile ins dreidimensionale entfalten, bzw. zur Gänze aus räumlichen Teilen besteht. Einige dieser Bildobjekte sind wie Modelle von Ausstellungssituationen konzipiert; sie erhalten also kleine modellhafte Bilder, um die herum ein entsprechend ihrer Größe angepasster Raum herumgebaut worden ist. Die Bilder erscheinen somit in ihrem eigenen Gehäuse. Bei anderen Bildobjekten verschwindet der Verweis auf ein einbeschriebenes Bild: Die Bilder verwandeln sich zu Gehäusen oder Schreinen ihrer selbst. Auch hier verlagert sich der Schwerpunkt von einem Verweisungsbezug auf anderes hin zu einem Binnenbezug, in welchem der Modell- und Entwurfscharakter sich verselbständigt hat.

Weitere Arbeiten lassen sich als Einbringungen charakterisieren. In ihnen trägt der Künstler bestimmte, von ihm vorgefertigte Objekte in andere Räume, fertigt ein Foto von ihnen an und nimmt dann das Objekt wieder mit. Das Objekt und der Raum erfahren im Bild eine Vereinigung, welche im realen Raum nur kurzzeitig ist, im Bild aber eine eigentümliche Dauer suggeriert. Diese Einbringungen erweisen sich von ihrer Konzeption her seiner Malerei verwandt, in der man vielerlei solcher Objekte findet, Diese Objekte sind nun selbst weniger reale Dinge oder Fundstücke, wie etwa im objet trouvé, sondern modellhafte, aus der Zeichnung entstandene Gebilde, wie z.B. eine längliche Schale, deren Grundform auf vielen verschiedenen Bildern von Alois Öllinger auftaucht.

Stilistisch stehen vor allem die früheren Bilder in einem nahen Bezug zur so genannten metaphysischen Malerei, besonders einer Carlo Carrà, welcher in seinen Gemälden die Magie des isolierten Objekts entfaltete. Eine Besonderheit im Schaffen von Alois Öllinger ist es gerade, auch in seinen Aktionen, immer wieder den Rückbezug zur Malerei zu versuchen. Diese Rückbindung und Vergewisserung von avantgardistischer Kunstform zu traditionellen Verfahren ist eine eigentümliche Geste in seinem Werk. Sie steht unter dem Primat der Zeichnung und damit in einer Tradition, welche gerade auch im Hinblick auch die Moderne neu zu entdecken ist.

Zoglau, im März 2002
Emmerich Hörmann

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